Kein Ersatz für eine Vorsorgevollmacht
War dem deutschen Recht ein sogenanntes „Angehörigenrecht“ bislang stets fremd, gibt es seit Anfang 2023 für akute Krankheitssituationen ein gesetzliches Ehegattennotvertretungsrecht für Gesundheitsangelegenheiten. Was versteht man unter einem Ehegattennotvertretungsrecht?
Wenn eine verheiratete Person, z.B. nach einem Unfall oder wegen Bewusstlosigkeit selbst nicht mehr in der Lage ist, in Gesundheitsangelegenheiten zu entscheiden, darf der nicht getrennt lebende Ehepartner bzw. die Ehepartnerin grundsätzlich Entscheidungen für sie treffen, also in ärztliche Untersuchungen oder Heilbehandlungen einwilligen oder Krankenhaus- und Behandlungsverträge abschließen. Dies gilt nur für Eingriffe, die aus medizinischer Sicht notwendig sind. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte sind dann zudem von ihrer Schweigepflicht entbunden.
BETRIFFT AUSSCHLIESSLICH GESUNDHEITLICHE ANGELEGENHEITEN
Im Unterschied zu den Gestaltungsmöglichkeiten mit einer Vorsorgevollmacht ist das Ehegattennotvertretungsrecht jedoch ausschließlich auf Entscheidungen im medizinischen Bereich beschränkt. Entscheidungen etwa im Bereich der Vermögenssorge umfasst es nicht. Um für den Notfall möglichst umfassend vorzusorgen, empfiehlt sich deshalb weiterhin eine Vorsorgevollmacht. Muss im Rahmen der medizinischen Behandlungen auch über freiheitsentziehende Maßnahmen, wie z.B. das Anbringen eines Bettgitters, entschieden werden, ist durch den Ehegatten eine Genehmigung des Betreuungsgerichts einzuholen. Zudem dürfen die Maßnahmen nicht länger als sechs Wochen dauern.
ZEITLICH BEGRENZT AUF SECHS MONATE
Das Ehegattennotvertretungsrecht ist auf sechs Monate begrenzt. Diese Frist beginnt in dem Moment, in dem der behandelnde Arzt oder die Ärztin schriftlich bescheinigt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für das Ehegattennotvertretungsrecht vorliegen und seit welchem Zeitpunkt. Zudem greift dieses Notvertretungsrecht nicht, wenn ärztlicherseits bekannt ist, dass der handlungsunfähige Ehepartner nicht vom anderen Ehegatten vertreten werden möchte. Wer die Notvertretung ablehnt, kann dem nämlich formlos widersprechen. Es ist sogar möglich, einen entsprechenden Widerspruch im Zentralen Vorsorgeregister, in das von ärztlicher Seite Einsicht genommen werden kann, eintragen zu lassen.
BETREUUNG ODER VORSORGEVOLLMACHT UND PATIENTENVERFÜGUNG GEHEN VOR
Das Ehegattennotvertretungsrecht gilt darüber hinaus nicht in den Fällen, in denen das Betreuungsgericht bereits einen rechtlichen Betreuer bestellt hat, zu dessen Aufgabenkreis
auch Gesundheitsangelegenheiten gehören oder wenn eine Vorsorgevollmacht für Gesundheitsangelegenheiten vorliegt. Liegt eine Patientenverfügung vor, in der Festlegungen für die konkrete Behandlungssituation getroffen wurden, bleiben diese selbstverständlich verbindlich, auch wenn ein Ehegattennotvertretungsrecht besteht. Wer umfassend und zeitlich unbefristet Vorsorge treffen möchte, sollte daher weiterhin an eine Vorsorgevollmacht denken, deren Umfang der Vollmachtgeber selbst bestimmen kann. Eine Vorsorgevollmacht kann sich auf einzelne Bereiche beschränken oder auch als Generalvollmacht erteilt werden. Sie kann auch mit einer Patientenverfügung kombiniert werden.